In dieser Folge des Podcasts „The Hydrogen Leader“ sprechen wir mit Sven Geitmann, einer Pionierfigur des deutschen Wasserstoffjournalismus und Gründer des renommierten Magazins „H2-HZWEI. Wasserstoff & Brennstoffzelle“. Geitmann, der sich seit über zwei Jahrzehnten mit den Höhen und Tiefen der Branche beschäftigt, berichtet über seinen persönlichen Werdegang, sein Engagement für unabhängige Berichterstattung und seine fundierte Einschätzung der aktuellen Lage der globalen Wasserstoffwirtschaft.
Das Gespräch beginnt mit einer bemerkenswerten Hintergrundgeschichte: Geitmann und Moderator Dr. Björn Lüssow waren Klassenkameraden in ihrer Kindheit und fanden Jahrzehnte später durch ihre gemeinsame Leidenschaft für Wasserstoff wieder zusammen. Geitmann, von Haus aus Maschinenbauingenieur, entschied sich, den Bauplan gegen den Stift zu tauschen und gründete einen Verlag sowie das einflussreiche Magazin „H2-ZWEI“. In diesem Gespräch reflektiert er über seine Karriere, gibt Einblicke in die zyklische Natur des Marktes und diskutiert die dringende Notwendigkeit eines klaren Engagements der Regierung für den Ausbau der Technologie.
Vom Maschinenbauingenieur zum Wasserstoffjournalisten: Die Entstehung einer unabhängigen Stimme
Geitmann spricht über seine wegweisende Entscheidung, den konventionellen Weg eines Ingenieurs zu verlassen und stattdessen über das zu schreiben, was andere bauen. Was war der Schlüssel zu seinem Erfolg bei der Gründung des deutschsprachigen Wasserstoffmagazins H2-ZWEI und später des englischsprachigen H2 International?
Die Wahl des Inhalts: Geitmann erzählt von seinem Wunsch, den „Gigantismus” des Baus immer größerer Maschinen zu vermeiden und stattdessen die vielversprechenden Möglichkeiten der Technologie zu vermitteln. Er sicherte sich 2004 das ursprüngliche Magazin „H2 Tech” zu einem „wirklich günstigen” Preis von einem Verlag, der der Meinung war, dass sie „viel zu früh” auf dem Markt waren – ein Beweis für seine frühe Überzeugung.
Eine globale Lücke: Die Gründung von H2 International im Jahr 2015 wurde durch die Notwendigkeit vorangetrieben, das Erbe des ehemaligen US-Newsletters „Hydrogen and Fuel Cell Letter” von Peter Hoffman fortzuführen, dessen Veröffentlichung eingestellt worden war. Geitmann sah es als seine Verantwortung an, diese Lücke zu füllen und der globalen englischsprachigen Gemeinschaft zu dienen.
Unabhängigkeit bewahren: Die Verantwortung des Journalisten gegenüber der Wahrheit
Das Gespräch unterstreicht Geitmanns Engagement für Unabhängigkeit und Qualität. Wie hat er es geschafft, sich in einem von Marketing-Hype geprägten Bereich einen Ruf als objektive und zuverlässige Quelle zu bewahren?
Die Haltung zum Greenwashing: Geitmann erzählt eine Anekdote über einen prominenten Fall, in dem er seinen Werten treu geblieben ist. Als das weltweit größte Ölunternehmen, Saudi Aramco, eine Anzeige schalten wollte, beschloss Geitmann, die Anzeige zu veröffentlichen, aber direkt daneben einen Leitartikel über Greenwashing zu drucken. Anschließend überwies er die Zahlung an einen Verein (wahrscheinlich einen, der sich für die Zukunft von Wasserstoff einsetzt) und lehnte es ab, persönlich von dem Geld des Ölunternehmens zu profitieren – ein klares Bekenntnis zu seinen Werten.
Die Herausforderung des Covers: Geitmann beschreibt seine Kriterien für ein gutes Cover: Es muss vertikal sein, gut lesbar („platt” oder flach) und eine klare Botschaft haben, die Neugier weckt. Das allererste Cover von H2-ZWEI zeigte einen Wasserstofftraktor aus den 1960er Jahren und verdeutlichte, dass die Technologie „bereits bekannt” war, auch wenn sie noch nicht kommerzialisiert war.
Trends erkennen: Die nächsten großen Geschichten im Bereich Wasserstoff
Als „echter Fischfang auf der Suche nach der nächsten großen Geschichte“ war Geitmann ein Beschleuniger für neue Technologien. Was waren die wirkungsvollsten Geschichten, die er entdeckt und der Branche vorgestellt hat?
Weißer Wasserstoff: Seine einzigartigste Entdeckung war, als er einen Professor in Rio de Janeiro auf einer Weltwasserstoffkonferenz über weißen Wasserstoff (natürlicher, natürlich vorkommender Wasserstoff) sprechen hörte. Dieses Konzept, das derzeit weltweit für große Begeisterung und Investitionen sorgt, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels in der europäischen Wasserstoffwelt praktisch „unbekannt”.
Eisenpellets für den Transport: Vor kurzem hob er die Verwendung von Eisenpellets (insbesondere von Ambar Tech) als potenziellen „weltverändernden” Mechanismus für den Schiffsverkehr hervor. Diese Methode ermöglicht die Verwendung von Wasserstoff am Ursprungs- und Zielort und vereinfacht damit den Transport über große Entfernungen.
Der aktuelle Stand: Hype-Zyklen und Tiefpunkte
Geitmann beobachtet die Branche seit Ende der 1990er Jahre und bietet eine erfahrene Sicht auf den aktuellen Markt.
Die Fünf-Jahres-Regel: Er stellt fest, dass die Branche seit 1997 immer wieder sagt: „Wasserstoff wird in fünf Jahren kommen”. Er glaubt, dass das, was viele als „Boom” betrachteten, heute als „weiterer Hype” anerkannt ist, und prognostiziert, dass der „echte Aufschwung” erst 2030 beginnen wird – also in weiteren fünf Jahren.
Mustererkennung: Geitmann erklärt, dass „schwache“ Phasen wie die aktuelle oft dazu führen, dass einige Unternehmen aufgeben oder in Konkurs gehen, ihre Fachkenntnisse und Vermögenswerte jedoch von stärkeren Akteuren übernommen werden. Er rät Beobachtern, sich nicht nur auf „schlechte Nachrichten“ wie den Ausstieg eines einzelnen Automobilherstellers aus der Brennstoffzellentechnologie (wie kürzlich bei Stellantis) zu konzentrieren, sondern auf die vielen Unternehmen, die „weitermachen“ und „noch stärker werden“.
Die Notwendigkeit politischer Klarheit in Deutschland
Geitmann betont, dass die Unterstützung durch die Regierung Wasserstoff weltweit zu einem „politischen Top-Thema” gemacht hat, wobei mehr als 50 Länder über eine Wasserstoff-Roadmap verfügen. In Deutschland sieht er jedoch ein kritisches Problem.
Ein Aufruf zum Engagement: Er „wartet noch immer” auf ein klares und enthusiastisches Engagement der deutschen Regierung. Er merkt an, dass Unternehmen ohne dieses politische Engagement und klare Signale hinsichtlich der Ausgaben weiterhin „ihr Geld zurückhalten” und endgültige Investitionsentscheidungen hinauszögern werden.
Klarheit statt Unsicherheit: Geitmann kommt zu dem Schluss, dass die entscheidende Frage zwar lautet, ob man sich zur Energiewende mit Wasserstoff bekennen soll, aber dass das dringendste Bedürfnis Klarheit ist – ein klares Signal, das dem Markt Sicherheit gibt und den lang erwarteten Aufschwung einleitet.
Das nächste Kapitel: Ein Vermächtnis bewahren
Geitmann verrät, dass seine Entscheidung, das Magazin zu verkaufen, auf einen allmählichen Verlust der „Neugier” und der täglichen „Begeisterung” nach jahrzehntelanger Berichterstattung zurückzuführen ist.
Eine vertrauenswürdige Hand: Nach einem langen Prozess verkaufte er sein „Baby“ an GWV Fachverlage (Genna), einen kleineren Verlag in Stuttgart, den er als sehr zuverlässigen Partner ansieht. Er ist „sehr froh“, dass H2-ZWEI und H2 International „in sehr guten Händen“ sind, bei einem Team, das „das, was wir begonnen haben, zu Ende bringen will“.
Um mehr von Sven Geitmann über seine Karriere, seine Führungsqualitäten und die Zukunft des unabhängigen Journalismus im Energiesektor zu erfahren, hören Sie sich die vollständige Podcast-Episode hier an.
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